Das Alevitentum ist eine naturverbundene, tolerante, weltoffene und nächstenliebe ausstrahlende Glaubensrichtung. In diesem Glauben spielt die Gerechtigkeit, Toleranz und Menschenliebe eine zentrale Rolle. Als Alevit sollte man jeden Menschen achten und ihn wegen seiner Sprache, Religion, Hautfarbe und Rasse nicht diskriminieren. Für die Aleviten bildet Gott und der Mensch eine Einheit. Die Menschen dieser Konfession legen einen großen Wert auf das Wissen.
Im Alevitentum ist der Mensch das wertvollste und am besten entwickelte Lebewesen auf Erden –egal ob er oder sie Alevit, Atheist oder Christ ist- und besitzt die heilige Kraft die von Gott aus an die Menschheit weitergegeben wurde. In diesem Glauben ist der Mensch Gott nicht untergeordnet. Das Fundament der alevitischen Philosophie kommt aus der Wissenschaft und besagt, dass nur durch Wissen und Vernunft, Licht in die Finsternis der Gedanken gebracht werden kann. Dadurch kann man das Schlechte, den Hass, die Vorurteile und die Ignoranz bewältigen und zu Frieden, Freundschaft und innerlichen Wohlstand gelangen. Im Mittelpunkt eines alevitischen Denkens steht Toleranz und Humanität. Die Frauen haben die gleichen Rechten und Pflichten wie die Männer. Aleviten lehnen jegliche Art von Gewalt ab.
Dafür setzen sie sich für die Gleichberechtigung der Frau und das Durchschreiten der 4 Tore und 40 Pforten (Regeln) -welches jeder Alevit in seinem Leben durchschreiten sollte, um die Vollkommenheit anzustreben - ein.
Aleviten glauben an eine heilige Kraft des Schöpfers, die vor allem durch Mohammed, seinem Schwiegersohn Ali und dessen Nachkommen weitergegeben wird. Es gibt nur einen Gott: Aleviten glauben, dass Gott überall zu fühlen und zu sehen ist. Sie bezeichnen ihn als: Sah, Hak, Hu, Ulu, Hüda und Allah
Nach alevitischem Verständnis hat jeder Mensch die heilige Kraft Gottes, egal ob er Christ, Jude oder Atheist ist.
Gott wollte seine Schöpfermacht und Schönheit durch die Schaffung des Menschen zeigen. Nach diesem Verständnis ist der Mensch das vollkommenste und schönste Geschöpf im Universum. Der Verstand des Menschen ist eine Gabe Gottes und hat zur Folge, dass jeder Mensch für die Führung seines Lebens selber verantwortlich ist. Aleviten glauben, im Gegensatz zum Christentum, dass das Leid nicht auf Willen Gottes zurückzuführen ist, sondern auf menschliches Versagen. Für sie ist der Mensch Gott nicht untergeordnet, sondern er ist das Ebenbild Gottes. Viele alevitische Gelehrte und Dichter drücken dies folgendermassen aus en-el-hak (ich bin eins mit Gott). Wegen derartigen Aussagen wurden diese am Galgen gehängt oder verfolgt.
Das Cem ist eine Versammlung und Vereinigung der Aleviten. Im Gottesdienst Cem werden die Aleviten:
Das Cem funktioniert nur mit den 12 Pflichten und einem Dede –er muss ein direkter Nachkomme der Ehlibeyit (Prophetennachfolge) sein, oder er wird wegen seinen Kenntnissen über das Alevitentum vom Dede persönlich beauftragt die Gemeinde zu unterrichten. Im Alevitentum wird ja die Gleichberechtigung von Mann und Frau groß geschrieben, deshalb kann diese Aufgabe auch ein Ana (eine weibliche Person) übernehmen, obwohl es meistens Dede`s sind die diese Aufgabe übernehmen. Früher haben die Cems immer Donnerstagabends stattgefunden, da dies in der heutigen Zeit nicht mehr möglich ist, finden die Cem – Gottesdienste meistens sonntags statt.
Das Cem soll die Zusammenkunft der 40 Heiligen darstellen, welche der Prophet Mohammed am Ende seiner Himmelfahrt getroffen hatte.
Zu den 12 Pflichten:
1. man braucht einen geistlichen Führer (Pir), diese Aufgabe kann nur vom Dede oder einer von ihm bestimmten Person übernommen werden.
2. der zweite Diener heisst Rehber, er kennt die Gemeinde meist besser als der Dede und hilft ihm bei seinen Aufgabe
3. der dritte Diener heisst Zakir, er spielt auf der Saz und begleitet den ganzen Cem.
4. der vierte Diener heisst Süpürgeci, seine Aufgabe ist es den Cemplatz zu fegen oder eventuell den Rehber zu unterstützen.
5. der fünfte Diener heisst Ceragci, seine Aufgabe ist es für die Belichtung im Cem zu sorgen.
6. der sechste Diener heisst Lokmaci, er ist für das Mahl und die Opfergaben zuständig.
7. der siebte Diener heisst Sakaci, seine Aufgabe ist es das Wasser zu verteilen.
8. der achte Diener heisst Gözücü, er ist sozusagen der Wächter des Cem und sorgt für einen ordentlichen Ablauf.
9. der neunte Diener heisst Semaci, er tanzt den rituellen Tanz Semah
10. der zehnte Diener heisst Peyrik, seine Aufgabe ist es die Gemeinde zu benachrichtigen wann und wo der Cem stattfindet.
11. der elfte Diener heisst Iznikici, er sorgt für de ganze Sauberkeit im Cem.
12. der zwölfte Diener heisst Kapici, er sorgt für die Sicherheit im Cem.
Der Semah
Der Semah wird in Cem`s getanzt und ist ein ritueller Tanz, indem Männer und Frauen gleichzeitig im Kreis und um die eigene Achse drehend mit langsamen Schritten dann mit immer schneller werdenden Schritten tanzen. Er wird vom Saz (Saiteninstrument) begleitet und ist ein religiöser Tanz, welches das Universum darstellen sollte. Mit dem Semah will man die Annäherung zu Gott erreichen.
Das alevitische Sittensystem beruht auf den Worten des alevitischen geistlichen Haci Bektasi Veli. Mit diesem Satz: „ Schütze die Reinheit deiner Zunge, deiner Hände und deiner Lenden“ hat der alevitische Geistliche das erreicht, was andere in vielen Bücher und Worten nicht erreichen konnten, nämlich die Vernormung für das friedliche Zusammenleben der Menschen untereinander.
Die Zunge, die Hände und die Lende sind menschliche Organe, die je nach Gebrauch die Stellung des Menschen in der Gesellschaft definieren. Anhand dessen wird der Mensch als gut oder schlecht dargestellt.
Hände: Mit den Händen kann man etwas Gutes oder Schlechtes tun respektive herstellen. Man kann beispielsweise arbeiten, was herstellen und der Gesellschaft nützlich sein oder man kann stehlen, töten etc. und der Gesellschaft einen Schaden zufügen.
Zunge: Mit der Zunge können die Menschen miteinander kommunizieren. Man sollte seine Zunge beherrschen und nicht über andere Menschen lästern oder Lügen verbreiten. Der Mensch sollte seine Zunge vor Lügen, Lästereien etc. schützen und mit seinem gegenüber nicht verletzend sprechen. Er sollte die Reinheit seiner Zunge hüten.
Lende: Man sollte keinen Geschlechtsverkehr vor der Ehe haben und seinen sexuellen Trieb beherrschen können. Im Alevitentum sowie auch in vielen anderen Religionen ist Geschlechtverkehr vor der Ehe verboten, auch eine Polygamie; ein Mann mit mehreren Ehefrauen ist im Alevitentum verboten, was im Sunnitentum erlaubt ist.
Die Aleviten haben neben dem Sittensystem, welches auf die Worte von Haci Bektas Veli beruht (Schütze die Reinheit deiner Zunge, Hände und Länden), auch ein Wertesystem. Das Wertesystem beinhaltet 4 Tore mit jeweils 10 Regeln, die der Mensch durchschreiten sollte, um seiner Bestimmung auf der Erde gerecht zu bleiben und sich Gott anzunähern. Aleviten glauben daran, dass die menschliche Seele immer wieder geboren wird, bis er die 4 Tore und 40 Regeln durchschritten hat.
1. Tor: Seriat
Das sind die Regeln die durch das Hören und Sehen und durch Mitmachen verstanden werden. Hierbei hilft ein Wegweiser, welches jede alevitische Gemeinde hat, dem Schüler (talip) diese 10 Regeln der Scharia (Seriat) zu verstehen.
2. Tor: Tarikat
hier geht es darum den Sinn des Glaubens zu verstehen. Dazu braucht der Mensch einen Wegweiser, der ihm den Weg der Wahrheit und die 10 Regeln zeigt.
3. Tor: Marifet
Dieses Tor ist die mystische Erkenntnis. Auf dieser Stufe wird der Mensch für das nächste Tor die Wahrheit (hakikat) vorbereitet. Sein ganzes Tun und Handeln sollte das ganze Gesamtwissen reflektieren.
4. Tor: Hakikat
Im Zentrum des alevitischen Glaubens steht der Mensch, bei dieser Stufe sollte der Mensch herausfinden wer er ist, von wo er kommt und was er will. Dazu sollte er 10 Stufen durchqueren.
Das Moharremfasten richtet sich nach dem Mondkalender und ist immer 20 Tage nach dem ersten Opferfesttag und dauert 12 Tage. Das Fasten ist keine Pflicht aber je nach körperlicher Verfassung wenn man fastet, gedenken die Aleviten dem Imam Hussain der im Jahre 680 in Kerbela samt seiner 72 Freunden und Familienangehörigen von den Männern von Yazid ermordet wurde. Um den Leidensweg von Imam Hussain nachzuempfinden, wird bei der Trauer gefastet.
Der Grund wieso das Fasten 12 Tage dauert, ist, dass alle 12 Imame (die Ehlibeyit) Nachkommen der Prophetenfamilie gnadenlos umgebracht wurden.
Während dem Fasten dürfen die Aleviten kein Fleisch zu sich nehmen um genügsam zu leben. Der Mann darf sich während dem Fasten nicht rasieren. In der Fastenzeit dürfen die Aleviten kein reines Wasser zu sich nehmen, reines Wasser deshalb, weil man Imam Hüseyin und seine Familienangehörigen in der Wüste von Kerbela verdursten ließ. Nach dem Abendessen darf nichts mehr gegessen und getrunken werden bis zum Sonnenuntergang des foglenden Tages. Das Essen am Abend aber sollte im bescheidenen Masse zu sich genommen werden um der Völlerei entgegen zu wirken.
Nach 12-Tägigem Fasten wird Asure (Süßspeise) gekocht und unter Verwandten, Nachbarn und Bekannten verteilt und zusammen verzehrt. Aleviten bringen damit ihren Dank zum Ausdruck, dass Imam Zeynel Abidin das Massaker von Kerbela wegen seiner Krankheit überleben konnte. Asure ist eine Speise aus 12 verschiedenen Zutaten. Die Zutaten können variieren aber sie müssen an der Zahl 12 sein, diese Symbolisieren die 12 Imame.
Jedes Jahr wird die zweite Februarwoche als die „Woche von Hızır“ gefeiert. Hızır (auch Xidir genannt) ist der unsterbliche Heiliger und Schutzpatron. Er kommt allen in der Not zur Hilfe. Er wird mit den Worten „Eile herbei Hızır!“ gerufen. Aleviten glauben daran, dass die Heiligen Brüder Hızır und Ilyas als Propheten gelebt und das so genannte „Wasser zur Unsterblichkeit“ getrunken haben, um den Suchern und Wanderern auf dem mystischen Pfad zu helfen. Nach diesem Glauben kommt Hızır am Land und Ilyas auf dem Meer zur Hilfe. Sie helfen allen bzw. retten alle, die in Not geraten sind und „von ganzen Herzen“ um Hilfe rufen. Sie bringen den Menschen Glück und Wohlstand.
In Anatolien stellt man sich Hızır als einen weißbärtigen Mann auf einem Schimmel vor, den man mit den Worten „Eile herbei lieber Hızır! „ ruft. Im Volksmund wird er `Auf dem Schimmel reitender Hızır´ „bozatlı hızır“ genannt und über ihn werden zahlreiche Geschichten erzählt. Hier stellt man eine Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Weihnachtsmann Santa Claus fest.
In der Hizir-Zeit wird ein Hausbesuch von zwei verkleideten Menschen (Opa mit weißem Bart, der Xidir nachstellt und eine Frau, die eine Oma nachspielt) bei den Aleviten gemacht. Man bringt Glück, Gesundheit und Wohlstand zu den nach Hause. Mit dem Spruch "Sare sole, bine sole, xidir ketiye we mole" (=einmal im Jahr, unter dem Jahr, xidir ist zu euch nach hause gekommen) wird der Besuch gestartet. Man unterhält sich, bringt Freude rein und fragt, ob die Familie irgendwelche Anliegen oder Probleme hat.
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